So war das mit Ficker-Fritz
Reschkes kleine Kulturgeschichte der Bundeswehr -
Antwort eines Augen- und Ohrenzeugen auf die Werbekampagnen
eines Arbeitgebers, der in der Mitte der Gesellschaft ankommen soll
Wie bitte ?!? Reschke bei der Bundeswehr?? Jeder, der seine Lieder oder ihn persönlich kennt, muss sich wundern...
Das kam so: 1983 wurde man als Kriegsdienstverweigerer bestraft, wenn man nicht „Wehrdienst“ leistete. Der Wehrdienst dauerte 15 Monate. 18 Monate dagegen dauerte der Ersatzdienst, der üblicherweise in sozialen Einrichtungen geleistet wurde. Die Minderwertigkeit von sozialem Engagement gegenüber dem Dienst an der Mordwaffe musste natürlich auch 38 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und acht Jahre nach dem Vietnamkrieg kompensiert und demonstriert werden.
Waren die drei Monate Unterschied Grund genug? Für Reschke nicht - aber sein Wunschstudium konnte er nur zum Wintersemester beginnen, also Anfang Oktober. Der Ersatzdienst endete jedoch erst Ende Dezember, also musste man ein Jahr verspätet ins Studium einsteigen, Weichei!!Zurückgetreten! Fein arrangierte Soft Power von Vater Staat zur Lenkung junger Bürger...
Also ließ sich Reschke auf etwas ein, das er einerseits schnell bereute, das aber andererseits seinem Wissen über Menschen und Hierarchien zuträglich wurde. Hatte er bis dahin als Gymnasiast, Gitarrist einer Band und aktiver Rennruderer überwiegend mit intelligenten und mehr oder weniger kultivierten Menschen zu tun, sollte er einige Wochen nach dem Abitur mit eifrig tätiger Dummheit sowie mentaler und emotionaler Verwahrlosung konfrontiert werden - in anderen Worten: mit Ausbildern bei der Bundeswehr. Allen voran Leutnant Fritz - genannt "Ficker Fritz" (weil er so gerne Auszubildende "fickte", auf Hochdeutsch: schikanierte) und Unteroffizier Bachmeier. Wieso solch harte Worte über Mitmenschen? Nun, es geht immerhin um Menschen, die sich für geeignet halten, andere auszubilden und im Ernstfall über Leben und Tod zu entscheiden! Und es geht um eine extrem kostspielige Institution, die massenweise Ressourcen verschwendet und die Umwelt verpestet, und: die derart unterentwickelte Menschen für Ausbilder hält, und das ist schlichtweg irre - und bezeichnend.
Ficker Fritz zeichnete sich zum Beispiel dadurch aus, dass er die gerade frisch und zwangsweise geimpften Rekruten in der prallen Juli-Sonne Liegestütze und andere Kraftsportübungen machen ließ (was bei einem Infekt gesundheiltlich bedenklich ist) oder bei langen Märschen humpelnde Rekruten, die sich die Fersen oder Zehen in den mitunter nicht passenden Stiefeln blutig gelaufen hatten, anschrie, sie hätten wohl nicht genug Kraft, um anständig zu laufen. Reschkes persönliche Erfahrung mit Ficker-Fritz spielte sich gegen Ende des ersten, "grünen“ Teils der "Grundausbildung" nach Dienstschluss ab: Reschke war bereits in Zivilkleidung und verließ das Kompaniegebäude, um rechtzeitig zu einem Bandauftritt zu kommen, als F-F ihm den Weg versperrte und einen Waschkorb voll schmutzigen Feldgeschirrs mit dem Befehl "Abwaschen! Abtrocknen!" in die Hände drückte. Als kompletter Militäranfänger ohne Hang zu soldatischer Expertise führte Reschke den Befehl vorsichtshalber aus und erreichte nur in letzter Minute den Auftrittsort. Am nächsten Tag gaben ihm erfahrenere Kameraden den Tipp, den offenbar rechtswidrigen Vorfall beim Kompaniechef zu melden, F-F's Vorgesetzter und bekannt für menschliche Umgangsformen. Reschke tat dies und musste danach keine non-verbalen Übergriffe des Fickers mehr erleben.
Was hat dies nun mit aktueller Bundeswehr-Werbung zu tun?
Damals waren Rekruten mindestens volljährig und durchwegs männlichen Geschlechts, also potentiell robust. Heute ist man bei der Bundeswehr darüber hinaus an Minderjährigen und Frauen interessiert. Da musste die Praxis des "Fickens" angepasst werden: In Pfullendorf beispielsweise kann man ein richtiger Elitesoldat werden, wobei sexuell sadistische Praktiken sowie Gewaltrituale zu den Lehrmethoden zählen. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundeswehr-sex-rituale-bei-der-kampfretter-ausbildung-a-1132072.html Lieber Nachwuchs, bitte genau an dieser Stelle Augeeen geradeeeausss!!! auf ein paar Werbesprüche Eures Arbeitgebers in spe:
"Frauen in der Bundeswehr" - "Mach, was wirklich zählt." - "Im Einsatz für den Frieden" - "Studieren mit Gehalt" - "Wir. Dienen. Deutschland." (man beachte den für Soldaten verständlichen Satzbau) - und stramm religiös-philosophisch: "Wer gibt Dir eigentlich den Glauben an Dich selbst?" - usw. Allerdings findet sich auch ein Ausrutscher mit ebenso unfreiwilliger wie unerwarteter Selbstdarstellung: "Wir kämpfen auch dafür, dass Du gegen uns sein kannst." Diesen Kampf hat das Militär zwar schon lange gewonnen, diesmal - abgesehen von Steuergeldverschwendung - ohne zivile Opfer, lässt aber nicht von weiteren Maßnahmen ab, das Dagegen-Sein jedem auch nur halbwegs vernunftbegabten Menschen immer wieder aufs Neue aufzuzwingen. Also besteht die Zielgruppe aus nicht zu diesem Personenkreis gehörenden Menschen.
Zwischenfrage: Werden eigentlich mehr Steuergelder für die Werbemaßnahmen der Bundeswehr oder für die Öffentlichkeitsarbeit der Friedensbewegungen bereitgestellt? Es waren für die Bundeswehr jedenfalls offiziell für 2015 angekündigt 35,3 Millionen Euro - mangels Produktivität naturgemäß Steuergeld.
(Ey, Alta - echt jetzt?! Für solche Sprüche, haha...)
Nun zu Unteroffizier Bachmeier: Er fiel zunächst dadurch auf, dass er um 4.45 Uhr in die Stuben stürmte, das Licht anmachte, an den klapprigen Etagenbetten rüttelte und wie besessen „Kompaniiieeee aufgestandeeeen!!!“ brüllte. Das Gebrüll setzte er nahtlos beim Morgenappell um 5.00 Uhr auf dem Flur fort. Manchmal baute er sich 30 Zentimeter vor einem Rekruten auf, dessen Haare oder Kopfbedeckung sein unflexibles Stilempfinden störte, und schrie ihm fast Nase an Nase ins Gesicht: „Ihre Haare sind zu laaaang!!!“ oder: „Ihr Schiffchen siitzzt faaaalsch!!!“. Der hochmotivierte Unteroffizier hasste Abiturienten, die den Großteil von Reschkes Zug (Teil einer Kompanie) ausmachten, und sich täglich davon überzeugen konnten, dass Bachmeier außerhalb des Militärs niemals in eine Ausbilderposition hätte gelangen können. Er toppte vor allem im Sprach-gebrauch sogar Ficker Fritz. Das "steeeeht still!!!" ist eine so wichtige, ständig zu wiederholende Übung der militärischen Kampfeskunst, dass er dafür den Rahmen seiner Vorstellungskraft voll ausschöpfte und sie den Rekruten mit verzerrt schreiender Stimme und folgenden Worten anschaulich vermittelte: "Beim Stillgestanden rührt sich kein Sackhaar, auch wenn der Himmel voller Mösen hängt!!!" Na ja, bleiben wir mal innerhalb waschechter Kämpferlogik: Wenn jetzt immer mehr Frauen in der Bundeswehr ihre wahre Heimat finden und ihre Karriere bis zum Heldentod durchziehen, dann bestünde neuerdings die Möglichkeit im Soldatenhimmel... Bachmeier 1983 ein Visionär? Ähnlich poetisch geriet seine ebenfalls in wildem Geschrei vermittelte Erklärung zur Feuerstoß-Funktion des damals üblichen Sturmgewehrs G3: "Wenn so ein russischer Affe auf dem Baum sitzt, da halt ich mit Feuerstoß drauf, und dann fliegt er mit 20 Löcher [ohne „n“] im Bauch runter!!!" *
Beeindruckt von solch geballter Ausbilderkompetenz, sprach Reschke den Text beim Gelöbnisritus nicht mit und scherte geschickt nach sechs Wochen Grundausbildung in zivilere Gefilde aus, indem er die restliche Wehrdienstzeit im Freizeitbüro zusammen mit zwei weiteren Abtrünnigen verbrachte. Dort organisierte man Freizeitangebote für die in der Kaserne lebenden Soldaten, nicht zuletzt, um sie vom Frust- oder Trauma-Saufen abzuhalten, das oft genug mit dem Feierabend einsetzte. Reschke lernte übrigens auch einen ausbildenden Unteroffizier kennen, der sich durch entspannte Kollegialität und angenehmen Sprachgebrauch auszeichnete. Dieser freundliche Mann war bereits in jungen Jahren vom Alkoholkonsum deutlich gezeichnet. Vermutlich fand er auf andere Weise keinen Frieden.
Wäre auf einmal wieder 1983, würde Reschke sicher und gerne in Kauf nehmen, erst ein Jahr später studieren zu dürfen.
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*Die Bundeswehr hat sich 2016 mit Leopard-Panzern wieder an die russische Grenze vorgearbeitet. Auf Bundeswehr-Deutsch nennt sich diese Provokation "enhanced forward presence". Bachmeiers Traum eines Krieges gegen Russland könnte (durch Weiterverfolgung der z.B. im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien erprobten NATO-Doktrin) in Erfüllung gehen.
P.S. Man betet dem deutschen Bürger notorisch vor, wir hätten über 70 Jahre Frieden in Europa. Wohl nicht in Erdkunde aufgepasst. Wo lag nochmal Jugoslawien? Wie kam Camp Bondsteel, die 386 Hektar umfassende 5.000 Mann-Militärbasis der U.S. Army 1999 in den Kosovo? Und wo liegt die Ukraine? Dieses Land nimmt nach dem durch ominöse Scharfschützen unterstützten Regime Change 2014 an drei von der NATO geführten Militäroperationen (ISAF, KFOR und OAE) teil. Als erster „Partner-Staat“ war die Ukraine an einer NATO „Response Force“ beteiligt. So rückt man den „russischen Affen“ auf den Pelz. Ob es wohl bei 20 Löchern im Bauch der Beteiligten bleiben wird..?